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Mieterhöhung

„Alte Mietspiegel“ noch als Begründungsmittel verwendbar?

Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst

Am 1. Juli 2022 ist die Mietspiegelreform in Kraft getreten. Damit stellt der Gesetzgeber neue Regeln zur Erstellung und zur Dokumentation von Mietspiegeln auf. Wie bisher werden dabei neben „qualifizierten Mietspiegeln“, nach speziellen wissenschaftlichen statistischen Methoden erstellt, auch „einfache Mietspiegel“ akzeptiert, die in der Erhebung und Erarbeitung diesen Methoden nicht gerecht werden. Gemeinden ab einer Einwohnerstärke von mehr als 50.000 Einwohnern wird zudem die gesetzliche Möglichkeit gegeben, weiterhin eigene Mietspiegel einzuführen oder bestehende Mietspiegel abzulösen. Im Ergebnis haben also kommunale Mietspiegel „die Nase vorn“. Deshalb spricht man bereits von einer staatlichen Mietpreiskontrolle.

Schon zur Jahreswende 2019/2020 wurde die Verwendbarkeit bestehender Mietspiegel als Begründungsmittel für ein Mieterhöhungsverlangen gebremst. Bisher konnten Mietspiegel auch einfach fortgeschrieben werden. Nach einer Übergangszeit bis zum Jahre 2022 ist nun die Datengrundlage für ihre Erstellung mit einem von 4 auf 6 Jahre verlängerten Betrachtungszeitraum neu zu evaluieren. Ältere Mietspiegel können also seitdem nicht mehr fortgeschrieben werden (Art. 229 §§ 50, 62 EBGBG). Das alles erhöht die Gefahr, dass bisherige Mietspiegel „rechtlich abhandenkommen“. Kann trotzdem noch mit älteren Mietspiegeln gearbeitet werden, wenn zum Beispiel keine anderen Begründungsmittel für eine Mieterhöhung zur Verfügung stehen? Exemplarisch dazu der Fall des „Berliner Mietspiegel 2021“:

Vermieter V begehrt im Juni 2021 schriftlich die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Dies begründet er mit der Angabe von 22 Vergleichswohnungen. Er ist der Ansicht, beim Berliner Mietspiegel handle es sich weder um einen qualifizierten noch um einen einfachen Mietspiegel. Deshalb bietet er zum Beweis für die Anspruchsvoraussetzungen seines Zustimmungsbegehrens ein gerichtliches Sachverständigengutachten an.

Zum Hintergrund:

Das Land Berlin hatte einen „verfassungswidrigen Mietendeckel“ erlassen und in diesem Kontext unterlassen, einen neuen qualifizierten Mietspiegel 2021 zu erstellen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Mietendeckel für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Deshalb bedurfte es kurzfristig eines funktionstauglichen Mietspiegels. Um dem zu genügen, wurde der Mietspiegel aus dem Jahr 2019 fortgeschrieben. Der Mietspiegel 2019 war seinerseits Ergebnis einer Fortschreibung des Mietspiegels 2017. Deshalb gab es unterschiedliche Auffassungen dazu, ob er überhaupt fortschreibungsfähig war (Art. 229 §§ 50, 62 EGBGB). Denn schon die zu bildende ortsübliche Vergleichsmiete erfordert nun einen längeren Betrachtungszeitraum von 6 Jahren und genügte deshalb nicht mehr dem noch im Jahre 2017 geltenden Betrachtungszeitraums von 4 Jahren.

In mehreren Entscheidungen hat das LG Berlin den Berliner Mietspiegel 2021 „weiterleben lassen“ (LG Berlin, Urteil vom 24. 5. 2022 - 65 S 189/21, IMR 2022, 308 = WuM 2022, 418; LG Berlin, Urteil vom 9.6.2022 - 67 S 50/22, IMR 2022, 307 = WuM 2022,427; LG Berlin, Urteil vom 20.7.2022 - 66 S 47/22, BeckRS 2022, 18039). Die Begründungsansätze dazu sind unterschiedlich wie folgt:

  • Unabhängig davon, ob die Fortschreibung eines qualifizierten Mietspiegels wirksam oder unwirksam ist, stellt sie zugleich einen neu aufgestellten einfachen Mietspiegel dar. Einschlägig ist deshalb Art. 229 § 50 Abs. 1 EGBGB mit der Konsequenz, dass weiterhin eine höhere Miete mit einem 4-jährigen Betrachtungszeitraum gelten soll.
  • Nach anderer Ansicht stellt der Mietspiegel 2021 zumindest ein vorprozessuales Begründungsmittel dar. Dabei wird dieser Mietspiegel - weil nicht fortschreibungsfähig - nicht als Mietspiegel ansich, sondern als „sonstiges Begründungsmittel“ betrachtet. Im Verfahren selbst wurde die ortsübliche Vergleichsmiete dann auf der Basis des alten Mietspiegels 2019 ermittelt (LG Berlin, Urteil vom 9.6.2022 - 67 S 50/22, IMR 2022, 307 = WuM 2022,427 = Beck RS 2022, 12836);
  • Schließlich wird der Mietspiegel 2021 als einfacher Mietspiegel mit Indizienwirkung verwendet (LG Berlin, Urteil vom 20.7.2022 - 66 S 47/22, BeckRS 2022, 18039; anderer Ansicht: AG Berlin-Mitte, Urteil vom 19.4.2022 - 8 C 189/21, ZMR 2022, 560 = IMR 2022, 317 - weder einfacher noch qualifizierter Mietspiegel, jedoch taugliche Schätzungsgrundlage im Sinne von § 287 ZPO). Anders formuliert: Der Mietspiegel soll dann zumindest Hinweise darauf geben, dass die nach ihm berechnete Einzelvertragsmiete aus der zutreffenden ortsüblichen Vergleichsmiete abgeleitet worden ist.

Zusammengefasst:

„Irgendwie“ kann man nach diesen vertretenen rechtlichen Auffassungen auch alte Mietspiegel noch als Begründungsmittel oder zumindest als Hinweis auf die richtig ermittelte Miete verwenden. Bei sogenannten „Uralt-Mietspiegeln“ ist damit allerdings Schluss. So stellt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ein 20 Jahre alter Mietspiegel kein geeignetes Begründungsmittel für ein Mieterhöhungsverlangen mehr dar. Deshalb ist ein darauf gestütztes Mieterhöhungsverlangen bereits formell unwirksam (BGH, Urteil vom 16.10.2019 - VIII ZR 340/18, IMR 2019, 482). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind aber ebenfalls denkbar; so soll auch ein alter Mietspiegel in Einzelfällen noch verwertet werden können, wenn das Erhöhungsverlangen auf einen veralteten qualifizierten Mietspiegel gestützt wird, der zeitlich nachfolgende neue qualifizierte Mietspiegel bei Zugang des Erhöhungsverlangens noch nicht allgemein zugänglich ist und der „veraltete“ Mietspiegel deshalb aufgrund seines fortwirkenden Informationsgehaltes noch dem Zweck des formellen Begründungserfordernis (§ 558 a Abs. 1 BGB) Rechnung trägt (AG Hamburg, Urteil vom 29.4.2022 - 48 C 251/21, IMR 2022, 395).

Funktioniert all das nicht, weil ein ehemals bestehender Mietspiegel „rechtlich abhandengekommen“ ist, oder weil es (noch) keinen Mietspiegel gibt, so bleibt als Ausweg, sich bei seinem Mieterhöhungsverlangen auf andere Begründungsmittel zu stützen. Erscheint ein Sachverständigengutachten zu teuer, verfügt man auch nicht über entsprechende Angaben zu drei Vergleichswohnungen als Begründungsmittel und schließlich auch nicht über entsprechende Werte aus einer dazu gepflegten Mietdatenbank, so kann man sich nach einer vergleichbaren Nachbargemeinde umschauen und prüfen, ob es für diese Gemeinde einen Mietspiegel gibt. Auch er könnte dann als Begründungsmittel herhalten (§ 558 a Abs. 4 Satz 2 BGB).

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Wann aber ist eine Nachbargemeinde mit der eigenen Gemeinde, in der die Mietwohnung liegt, vergleichbar? Das klärt der „Tatrichter“.

Beispiel:
Vermieter V möchte die Miete erhöhen. Ein Mietspiegel steht dafür als Begründungsmittel in seiner Gemeinde nicht zur Verfügung. Über die sonstigen Begründungsmittel (3 Vergleichswohnungen, Mietdatenbank/Mietkataster) verfügt er nicht, bzw. sie sind ihm zu teuer (Sachverständigengutachten). Folglich legt er seinem schriftlich geäußerten Verlangen auf Zustimmung des Mieters zur begehrten Mieterhöhung den Mietspiegel der Nachbargemeinde als Begründungsmittel zugrunde. Mieter reagiert nicht, V klagt auf Zustimmung.

Der BGH verwirft die Klage in letzter Instanz (BGH, Urteil vom 21. August 2019 – VIII ZR 255/18, juris – Rn. 14, 15 ff der Entscheidungsgründe). Das Mieterhöhungsverlangen sei formell unwirksam, weil kein taugliches Begründungsmittel verwendet wurde. Der verwendete Mietspiegel der Nachbargemeinde sei nicht verwertbar. Denn die Nachbargemeinde sei nicht vergleichbar zur eigenen Gemeinde, in der die Wohnung liege. Kriterien der Vergleichbarkeit seien insbesondere:

  • Einwohnerzahl,
  • überörtlich relevante Einrichtungen (etwa Theater, Kinos, Krankenhäusern).
  • Verkehrsinfrastruktur wie z. B. U-Bahn oder S-Bahn, direkte BAB-Verbindung
  • Wirtschaftsangebot,
  • Angebotspalette in Handel, Kultur

Insgesamt müsse die Vergleichbarkeit „unter Berücksichtigung aller wesentlicher Umstände des Einzelfalls“ anhand konkreter Merkmale festgestellt werden. Entscheidend sei auch, ob die Stadt ein „Oberzentrum“ im Sinne des landeseigenen Entwicklungsprogramms, oder ein zentraler Ort mit überörtlich relevanten Einrichtungen wie Theatern, Kinos, Krankenhäuser sei, während die verglichene Gemeinde all diese Kriterien ebenso zeigen müsse. Zu berücksichtigen sei auch, ob U-Bahn- oder S-Bahn-Haltestellen, bzw. Anschlüsse vorhanden seien, um davon auf die Erreichbarkeit der infrastrukturellen Angebote sowohl innerhalb der Stadt als auch in der Gesamtregion für die Einwohner zu schließen. Allein die Nähe beider verglichenen Gemeinden zu einer Großstadt spiele keine entscheidende Rolle. Ebenso lasse die Entwicklung der Grundstückspreise in den jeweiligen Gemeinden keine verlässlichen Rückschlüsse auf die ortsüblichen Mieten zu.

Klar ist: Eine Gemeinde mit etwa 4450 Einwohnern ist mit einer Großstadt mit rund 500.000 Einwohnern nicht vergleichbar (BGH, Urteil vom 13. November 2013, a.a.O.). Das in ruhigeren Randgebieten der Großstadt die Wohnqualität mit der Qualität der eigenen Gemeinde vergleichbar sein mag, sei für die Vergleichbarkeit beider Gemeinden unerheblich, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 13. November 2013 ausdrücklich sagt. Denn über die in den Randbereichen der Großstadt ortsübliche Miete gebe der für das gesamte Stadtgebiet der Großstadt geltende Mietspiegel keine Auskünfte (ebenso bereits LG Heidelberg, WuM 2011, Seite 205). Sei aber die Vergleichbarkeit nicht gegeben, so könne sie auch nicht durch einen prozentualen Abschlag auf die Mieten der Großstadt ersetzt werden. Denn § 558 a Abs. 4 BGB stelle ausdrücklich darauf ab, dass es sich um einen Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde handele.

Zur Vergleichbarkeit zweier Gemeinden äußert sich im Zusammenhang mit der Verwertbarkeit des Mietspiegels einer Nachbargemeinde als Begründungsmittel auch das AG Aschaffenburg mit Urteil vom 25. Juli 2013 (AG Aschaffenburg, Urteil vom 25. Juli 2013 (Az 115 C 779/12, WuM 2013, S. 673). Mangelnde Vergleichbarkeit der Wohnungsmärkte sei anzunehmen, wenn die Gemeinde, in der die Mietwohnung belegen sei, nur über 8500 Einwohner verfüge, während es sich bei der Nachbargemeinde (mit Mietspiegel) um eine kreisfreie Stadt von 68.000 Einwohnern handele, in der zusätzlich noch eine Fachhochschule angesiedelt sei und dies zu einer erhöhten Wohnungsnachfrage durch Studenten führe.

Anmerkung:

Ist das Mieterhöhungsverlangen mangels Vergleichbarkeit der Gemeinden formell unwirksam, kann der Vermieter im Verlauf der Zustimmungsklage ein wirksames Erhöhungsverlangen nachholen (§ 558 b Abs. 3 S. 1 BGB). Dazu kann er zum Beispiel Vergleichswohnungen als Begründungsmittel benennen und auf diese Weise den Begründungsmangel beheben. Allerdings muss der Mieter die Erklärung als erneutes Erhöhungsverlangen erkennen können. Dieses Vorgehen löst für den Mieter eine erneute Zustimmungsfrist aus (§ 558 b Abs. 3 S. 2, Abs. 2 Satz 1 BGB). In der Sache bedeutet dies für den Vermieter eine „Zeitstrafe“. Denn die zusätzlich laufende Zustimmungsfrist verschiebt den Wirksamkeitszeitpunkt der Mieterhöhung auch dann nach hinten, wenn das Erhöhungsverlangen (jetzt im Prozess) formell rechtmäßig begründet und der Zustimmungsklage stattgegeben wird ((§ 558 b Abs. 2 Satz 1 BGB …„bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Verlangens“ …, also zwei bis drei Monate).

Bitte beachten Sie:

Die Frage der Verwertbarkeit eines "Nachbar-Mietspiegels" für die eigene Mieterhöhung stellt sich immer nur dann, wenn tatsächlich kein eigener Mietspiegel für die Gemeinde existiert, in der die fragliche Wohnung liegt. Der Vermieter hat also kein Wahlrecht, ob er einen etwa doch vorliegenden örtlichen Mietspiegel oder den einer Nachbargemeinde zur Begründung heranzieht. Existiert ein eigener Mietspiegel, muss dieser als Begründungsmittel verwendet werden; dies auch dann, wenn er älteren Datums ist, entgegen § 558 c Abs. 3 BGB nicht nach zwei Jahren der Marktentwicklung angepasst worden ist und deshalb über aktuelle Mietspiegelwerte nicht verfügt (AG Ludwigsburg, Urteil vom 8.11.2013 - 3 C 1475/13, WuM 2014, S. 30).

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