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Betriebskosten

Zankapfel Vorauszahlung

Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Hannover / Solingen

Die drastische Preisentwicklung bei den Energiekosten führt in Mietverhältnissen zu Streitfällen um wirtschaftlich notwendige Erhöhungen der monatlich geschuldeten Betriebskostenvorauszahlungen. § 560 Abs. 4 BGB gibt die Möglichkeit, Vorschüsse anzupassen. Nach dem Grundgedanken des Gesetzes soll dies im Zusammenhang mit erteilten Betriebskostenabrechnungen erfolgen, um eine Nachzahlungsforderung für die Zukunft zu vermeiden. Dazu ein Beispiel: Vermieter V erteilt die Betriebskostenabrechnung mit einer Nachzahlungsforderung und erhöht die zukünftig zu entrichtenden monatlichen Vorauszahlungen entsprechend. Infolge der Energiekrise kommt es zu einer unterjährig nochmaligen Verteuerung. Dies nimmt V zum Anlass, die Vorauszahlungen erneut zu erhöhen. Mieter M wehrt sich dagegen. V mahnt erfolglos und klagt die Differenz zu den nochmals erhöhten Vorauszahlungen sowie seiner Ansicht nach fällig gewordene Mahngebühren ein.

Urteil des AG Köln

Das AG Köln entscheidet mit Urteil vom 11.12.2023 - 203 C 73/23, BeckRS 2023, 39658 = FD-MietR 2024, 803070. Die unterjährig nochmals vorgenommene Erhöhung der Vorauszahlungen, motiviert mit gestiegenen Heizkosten aufgrund der Energiekrise, sei unwirksam und könne nicht auf § 560 Abs. 4 BGB gestützt werden. Denn eine Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen aufgrund der erteilten Betriebskostenabrechnung können nur einmal erfolgen. Durch die erste Erhöhung im zeitlichen Zusammenhang mit der erteilten Abrechnung sei dieses Recht verbraucht (ebenso die wohl herrschende Meinung: Blank, in: Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl. 2020, § 560 BGB Rn. 30; Schultz, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2019, Kapitel III, Rn. 1765; für die Zulässigkeit einer erneuten Änderung in diesem Fall: AG Hamburg, Urteil vom 27.6.2022 - 49 C 13/22, BeckRS 2022,16261; Schindler, in: BeckOK, Stand 1. Januar 2024, § 560 BGB Rn. 78, 79; Zehelein, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2023, 560 BGB Rn. 28-33).

Ob es zu einer zweiten und unterjährigen Erhöhung auf der Grundlage einer wegfallenden Geschäftsgrundlage kommen könne, bleibe dahingestellt. Den § 313 BGB greife zumindest im vorliegenden Fall nicht ein. Denn Vermieter V als Kläger habe sein Gestaltungsrecht aus § 560 Abs. 4 BGB ausgeübt, nachdem infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die Energiepreise schon ganz erheblich gestiegen seien. Diese Tatsache als Motiv der zweiten Erhöhung sei also bereits im Zeitpunkt der ersten Erhöhung bekannt gewesen. Auch habe V nichts dazu vorgetragen, warum ein Festhalten an der bisherigen Vorauszahlungshöhe unzumutbar sein könnte.

Nachzutragen ist:
Bei vereinbarten Betriebskostenvorauszahlungen gibt § 560 Abs. 4 BGB dieses Anpassungsrecht durch einseitige Gestaltungserklärung bis zur „angemessenen Höhe“. Die Vorschrift bindet dabei zunächst an eine erteilte Betriebskostenabrechnung an, die mit einem Nachzahlungssaldo zulasten des Mieters endet.

Erhöhung nach Abrechnung oder auch unterjährig?

Genau darin wird der „rechtliche Knackpunkt“ gesehen, wenn kein engerer zeitlicher Zusammenhang mit der Betriebskostenabrechnung besteht So ist es vorstellbar, dass eine Abrechnung schon länger zurückliegt und ebenso, dass sie für einen zurückliegenden Abrechnungszeitraum noch nicht erteilt worden ist oder zum Beispiel mangels vollständig vorliegender Abrechnungsbelege noch nicht erteilt werden kann. Genauso häufig sind die Fälle, in denen die sprunghafte Erhöhung des Betriebskostenniveaus mitten in einen laufenden Abrechnungszeitraum fällt. Dann wird hinterfragt, ob Sie als Vermieter in allen diesen Fällen auch dann sein Gestaltungsrecht zur Erhöhung der Vorauszahlungen zumindest in Textform ausüben können.

Die Beantwortung dieser Frage ist aktuell durchaus umstritten; die häufiger anzutreffende Meinung verneint sie. Nach dieser Ansicht besteht ein Anspruch auf Erhöhung der Vorauszahlungen aus § 560 Abs. 4 BGB nicht; der Vermieter soll auf den Versuch einer freiwilligen Vereinbarung mit dem Mieter verwiesen sein, um die durch die Vorauszahlungen ungedeckten Betriebskosten nicht zu hoch auflaufen zu lassen. Eine vermittelnde Ansicht erkennt das Interesse beider Seiten an einer möglichst schnellen Lösung. Der Mieter soll in den ohnehin aktuell schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen durch unnötig lange aufgehäufte Betriebskostenanteile nicht ins Trudeln kommen. Insolvenzgefahren und Streitigkeiten aus dem Mietverhältnis sollen vermieden werden. Der Vermieter soll durch die zugestandene Möglichkeit einer zügigen Erhöhung der Vorauszahlungshöhe ein erhöhtes Forderungsbeitreibungsrisiko oder sogar eine Insolvenzgefahr des Mieters nicht übernehmen müssen. Dem Vermieter wird deshalb eine Anspruchslösung mit Verpflichtung des Mieters zur erhöhten Vorauszahlung aus § 313 Abs. 1 BGB (Anpassung des Mietvertrags wegen gestörter Geschäftsgrundlage) oder aus § 242 BGB (Treu und Glauben) zuerkannt.

Nach hier vertretener Auffassung können beide Ansätze auf sich beruhen; denn für den Vermieter lässt sich auch ein „unterjähriger“ Anspruch auf Erhöhung der Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in der aktuellen Situation sprunghaft gestiegener und weiter stark ansteigender Kosten schon aus § 560 Abs. 4 BGB wie folgt begründen: Die Vorschrift bezweckt den Schutz beider Vertragsparteien vor unangemessenen finanziellen Belastungen (BGH, Urteil vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 271/10, NJW 2011, S. 2350 Rn. 16). Ihnen als Vermieter soll die Last der Vorfinanzierung sowie das Insolvenzrisiko des Mieters abgenommen werden (Lehmann-Richter, in: Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, 15. Aufl. 2022, § 560 BGB Rn. 52). Genau diese Überlegung trifft: Denn wenn der Vermieter innerhalb der gesamten laufenden restlichen Abrechnungsperiode die schon eingetretenen oder mit Sicherheit eintretenden Kostenerhöhungen für seinen Mieter vorfinanzieren muss, werden sich „riesige“ Nachzahlungen als Ergebnis der folgenden Betriebskostenabrechnung aufhäufen. Der Mieter steht vor hohen finanziellen Hürden, dem Vermieter wird das Forderungsbeitreibungsrisiko auferlegt. Er trägt dann für den Mieter sogar dessen Insolvenzrisiko. Insgesamt steigt die Gefahr deutlich, dass Mietverhältnisse notleidend werden.

Sozialwohnungen

In Mietverhältnissen mit sozialhilferechtlichem Einschlag verstärkt sich dieser Effekt deutlich. Denn der Sozialhilfeträger legt in seinen verschiedenen Mietenstufen auch Betriebskostenobergrenzen fest, bis zu denen er zahlt. Die häufige Solvenzschwäche des Mieters tritt hinzu. Und schließlich: Eine „vorbeugende“ Kündigung wegen befürchteter Finanzschwäche des Mieters ist laut Bundesgerichtshof unzulässig (BGH, Urteil vom 31.1.2018 - VIII ZR 105/17, juris).

Zeitlicher Rahmen

Auch das Problem eines „zeitlichen Zusammenhangs“ zwischen Abrechnung und Erklärung löst sich von selbst, wenn man bedenkt, dass auch ein veraltetes Rechenwerk für einen Abrechnungszeitraum, der zwischenzeitlich von einem späteren Abrechnungszeitraum überholt wurde, für den aber noch keine Abrechnung vorliegt, Grundlage einer Erklärung des Vermieters nach § 560 Abs. 4 BGB sein kann (BGH, Urteil vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 271/10, NJW 2011, 2350 Rn. 15; zustimmend Lehmann-Richter, in: Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, 15. Aufl. 2022, § 560 BGB Rn. 61). Zwar muss sich die Erhöhung rechnerisch aus dem Nachzahlungssaldo der Abrechnung ergeben, doch trägt dieser Ansatz für das hier betrachtete aktuelle Problem trotzdem. Natürlich kann die aktuelle Steigerung im Bereich der Betriebskosten in einer veralteten Abrechnung noch nicht erfasst sein. Da es sich aber bei der „gebotenen angemessenen Erhöhung“ um eine Prognoseentscheidung handelt, darf auch ein kalkulierbarer Sicherheitszuschlag mit eingepreist werden, um allgemeine Kostensteigerungen aufzufangen (BGH, Urteil vom 28. September 2011 - VIII ZR 294/10, NJW 2011, S. 3642 Rn. 18; zustimmend: Lehmann-Richter, in: Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, 15. Aufl. 2022 § 560 BGB Rn. 73 und 80). Dabei muss die Bemessung des Sicherheitszuschlags konkret gerechnet, erläutert und begründet werden. Eine nicht näher spezifizierte erwartete Kostensteigerung kann eine erhöhte Vorauszahlung dagegen nicht stützen (AG Hamburg, Urteil vom 27.6.2022 - 49 C 13/22, IMR 2022, 434).

Der Vermieter kann also auch „unterjährig“ den eingetretenen und sich weiter abzeichnenden krassen Betriebskostenerhöhungen Rechnung tragen und den Mieter durch eine Erklärung zumindest in Textform zur angemessenen Erhöhung der Vorauszahlungen heranziehen. Eingetretene und sich abzeichnende Steigerungen der Energiekosten kann er dort genauso einpreisen wie eine inflationsbedingte Preisverteuerung. Zu empfehlen ist auch, sich in der Erklärung vorzubehalten, bei weiter gravierender fortschreitender Entwicklung die Vorauszahlungen erneut anzupassen.

Folgt man dem hier vertretenen Ergebnis dagegen nicht, so wird man - abgesehen von dem vorangestellten Sonderfall einer schon eingetretenen Preisbeschleunigung zur Zeit der ersten Anpassung der Vorauszahlungen nach der Betriebskostenabrechnung - um einen Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages durch Erhöhung der Vorauszahlungen wegen gestörter Geschäftsgrundlage nicht herumkommen (§ 313 Abs. 1 BGB). Andernfalls ergibt sich das beschriebene unzumutbare Insolvenzrisiko beim Vermieter, das er für den Mieter übernimmt, wenn dieser das ganze Jahr ungedeckte Betriebskosten auflaufen lässt und hinterher nicht zahlen kann. Diese Gefahr zeigt sich sehr wahrscheinlich; aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation einschließlich Inflationsentwicklung, der Gefährdung oder gar dem Verlust des Arbeitsplatzes; und auch aus den ökonomischen Nachwirkungen der Pandemie mit Kurzarbeitergeld oder Jobverlust beim Mieter.

Gespräch mit dem Mieter suchen

Und schließlich: Auch dem Mieter muss daran gelegen sein, nicht zu viel an Betriebskosten „auflaufen“ zu lassen, um den „Abrechnungsschock“ hinterher zu vermeiden. Deshalb sollte man zeitig das Gespräch mit ihm zum Thema suchen und eine gemeinsame Vereinbarung zur Erhöhung der Vorauszahlungen als Ergebnis eigener Überzeugungsarbeit anstreben. Dabei kann man sich diese Überzeugungsarbeit mit dem Hinweis erleichtern, dass eine Senkung oder Rückanpassung vorgenommen werden wird, sobald sich (dauerhaft) ein sinkendes Kostenniveau zeigt. Im Hinblick auf § 560 Abs. 4 BGB entspricht das ohnehin der gesetzlichen Rechtslage. Denn das dort enthaltene Gestaltungsrecht besteht im Falle sinkender Kosten auch zu Gunsten des Mieters („doppeltes Gestaltungsrecht“; dazu Lehmann-Richter, in: Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, 15. Aufl. 2022 § 560 BGB Rn. 51; Deutscher Bundestag, Drucksache 14/4553, S. 14 und Deutscher Bundestag, Drucksache 14/5663, S. 81). Auch zu § 313 BGB wird dies in der Rechtsprechung vertreten, wenn sich eine Anpassung als „rückanpassungsbedürftig“ zeigt (So: LG Krefeld, Urteil vom 14.7.2021 - 2 O 58/21, NZM 2021, 607 Rn. 78 am Ende). Gelingt eine Vereinbarung nicht, kann man immer noch wie beschrieben einseitig vorgehen. Die Basis dazu gibt es nach hier vertretener Auffassung allemal.

Mehrfache Erhöhung pro Jahr möglich?

Wer bereits in diesem Jahr für den Abrechnungszeitraum 2024 eine Betriebskostenabrechnung erteilt und dabei die Vorauszahlungen erhöht hat, soll dies wegen der Energiepreissteigerungen nicht nochmals veranlassen dürfen. Eine mehrfache Erhöhung der Vorauszahlungen pro Jahr soll also unzulässig sein (ausdrücklich AG Köln, Urteil vom 11.12.2023 - 203 C 73/23, BeckRS 2023, 39658).

Und wenn statt einer Vorauszahlung eine Betriebskostenpauschale vereinbart ist?

Die aktuell zu verzeichnende Preissteigerungen führen auch für vereinbarte Betriebskostenpauschalen zu dem Wunsch des Vermieters, diese zu erhöhen. Das ist möglich unter Berücksichtigung von § 560 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB. Die derzeitige Kostenunterdeckung durch die Pauschale, die ja zur Deckung der tatsächlich angefallenen Kosten nicht mehr ausreicht, kann folglich beseitigt werden. 

Dazu muss sich der Vermieter durch schriftliche Erklärung an den Mieter vor Beginn der Abrechnungsperiode, für die die Umstellung greifen soll, richten. Möglich ist auch eine Erklärung in Textform (zum Beispiel per E-Mail). Gesetzliche Grundlage hierfür ist § 556 a Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 126 b BGB (Vgl. Lehmann-Richter, in Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, 15. Aufl. 2022, § 556 a BGB Rn. 60 mit weiteren Nachweisen). In der Erklärung ist der Grund für die Umstellung anzugeben und zu erläutern, so zum Beispiel durch den Hinweis auf gestiegene und weiter steigende Betriebskosten insbesondere im Bereich der Energiekosten, inflationsbedingte Kaufkraftentwicklungen, die durch die Pauschale nicht mehr abgefangen werden können, etc. Belege, die die erhöhten Kosten dokumentieren, sind beizufügen. Wie gesagt: Die Erklärung muss vor dem Abrechnungszeitraum, ab dem sie gelten soll, dokumentiert und nachweisbar beim Mieter eingehen.