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Rechtsänderungen

Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst


Wohnungseigentum: Entscheidung des Gerichts nach neuem oder altem Recht?

Zum 1. Dezember 2020 hat es im Wohnungseigentumsrecht durch die WEG-Reform zahlreiche Rechtsänderungen gegeben. Sie wirken unmittelbar auf die Klage- und Prozessführungsbefugnis einzelner Eigentümer, des Verwalters oder der Gemeinschaft, aber auch in sachlicher Hinsicht auf die Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche und Forderungen. Das ist insbesondere in allen Fällen bedeutsam, die noch nach altem Recht vor Gericht gebracht wurden, aber nach dem Stichtag des 1. Dezember 2020 unter der Geltung des neuen Rechts zu verhandeln und zu entscheiden sind (eingehend: Falkner, Das Übergangsrecht des WEMoG, ZWE 2021, 149 ff).

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Klage- und Prozessführungsbefugnis einzelner Eigentümer

Betroffen hiervon sind vor allem Störungsabwehrklagen wegen überschrittener Gebrauchs- und Nutzungsrechte, Klagen auf den Abriss eigenmächtig vorgenommener baulicher Veränderungen und auch auf die Beurteilung von Schadensersatzansprüchen. Näher zu betrachten ist auch die Frage, wer jetzt öffentlich-rechtliche Nachbaransprüche aus dem Wohnungseigentum geltend machen darf.

Zunächst zur Prozessführungsbefugnis, also zu der rechtlichen Stellung bisheriger Prozessparteien. Bis zum 30.11.2020 waren einzelne Eigentümer klageberechtigt, wenn sie sich gegen ihre Nachbarn im Haus mit Störungsabwehranträgen sowie mit Klageanträgen auf Rückbau eigenmächtig vorgenommener baulicher Veränderungen wenden wollten. Das galt auch bei Schadenersatzklagen. Allerdings konnte die Gemeinschaft diese individuellen Rechte und Ansprüche durch Beschluss ansichziehen und sich damit anstelle des einzelnen Eigentümers in die Klägerrolle setzen. Das galt besonders dann, wenn es um Ansprüche und Rechte ging, die nicht nur den Einzelnen, sondern die Gemeinschaft betrafen. Von dieser Alternative war auszugehen, wenn zum Beispiel Störungen nicht nur einen bestimmten Eigentümer trafen, sondern eine Mehrzahl von Eigentümern oder aller Eigentümer; ebenso dann, wenn das Gemeinschaftseigentum betroffen war.

Die WEG Reform rückt von diesem Prinzip ab und sieht die Gemeinschaft grundsätzlich als prozessführungsbefugt an, wenn es um Ansprüche im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftseigentum geht, oder um die Wahrung von Rechten, bzw. die Abwehr von Störungen, die nicht ausschließlich nur einen einzelnen Eigentümer betreffen (§ 9a Abs. 1 Satz 1 WEG). Das Gesetz ordnet also einen Klägerwechsel an. Ein spezielles Übergangsrecht dazu enthält die WEG Reform nicht. Mittlerweile hat deshalb die Rechtsprechung für schwebende Verfahren die folgenden Grundsätze entwickelt (z. B. LG Frankfurt/Main, Urteil vom 11.2.2021 - 2/13 S 46/20, NZM 2021, 239; LG Frankfurt/Main, Urteil vom 28.1.2021 - 2/13 S 155/19, ZMR 2021, 342; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.2.2021 - 3 S 2373/20, IMR 2021, 258 zur Ausübungsbefugnis nur noch der Gemeinschaft für öffentlich-rechtliche Nachbaransprüche im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum; ebenso für die Befugnis zur Verfolgung nachbarschützender Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum: VGH Mannheim, Beschluss vom 24. 2. 2021 - 3 S 2373/20, NZM 2021, 316):

  • Der einzelne Eigentümer als bisheriger Kläger erklärt die Hauptsache für erledigt und stellt Kostenantrag. Erledigungsgrund ist die Gesetzesänderung zur Klagebefugnis. Damit vermeidet er nachteilige Kostenfolgen, gewinnt aber in der Sache nichts.
  • Die Eigentümergemeinschaft übernimmt; das Verfahren wird auf sie umgestellt (Parteiwechsel). Dazu bedarf es eines Beschlusses der Gemeinschaft entweder anlässlich einer Eigentümerversammlung in Präsenzform oder im schriftlichen Beschlussumlaufverfahren. Zu alldem kommt es in der Praxis häufig nicht. Ursächlich dafür sind neben zeitlichen Gründen vor allem zersplitterte Meinungsbilder über den berechtigten oder unberechtigten Anlass eines Gerichtsverfahrens.
  • Die Gemeinschaft, vertreten durch den Verwalter (§ 9b Abs. 1 Satz 1 WEG), auf die das Gerichtsverfahren gesetzlich in der Klägerrolle umgestellt worden ist, ermächtigt den einzelnen Eigentümer als bisherigen Kläger „zurück“ und billigt ihm zu, das Verfahren nunmehr für die Gemeinschaft weiterzuführen (dazu: AG Oberhausen, Urteil vom 9.3.2021 - 37 C 1585/20, IMR 2021, 252). Auch dazu kommt es aber in aller Regel nicht. Denn auch hierzu bedarf es eines entsprechenden Beschlusses.

Was aber ist, wenn weder der bisherige Kläger und Einzeleigentümer noch die Gemeinschaft als prozessbefugte Klägerin nach neuem Recht zur weiteren Behandlung des laufenden Verfahrens etwas gesagt haben? Mit dieser Frage hatte sich jüngst der BGH zu beschäftigen in der Sache ging es um einen Streit eines einzelnen Wohnungseigentümers mit einem Grundstücksnachbarn.

Der Nachbar hatte entlang der gemeinsamen Grenze 4 Zypressen mit einem Grenzabstand von unter 4 m gepflanzt. Der einzelne Eigentümer macht Ansprüche auf Beseitigung, hilfsweise auf den Rückschnitt in der Höhe auf maximal 3,5 m geltend. Erklärungen zur Prozessführungsbefugnis gab es von Seiten des klagenden Wohnungseigentümers und auch von der Gemeinschaft nach Eintritt der Rechtsänderung nicht. Der BGH hat entschieden, dass dann der alte Eigentümer weiter das Verfahren betreiben darf, solange das erkennende Gericht keine gegenteiligen Erklärungen der Gemeinschaft vernimmt (BGH, Urteil vom 7.5.2021 - V ZR 299/19). Bis zur Bekundung eines entgegenstehenden Willens der Gemeinschaft ergebe sich die Prozessführungsbefugnis des bisherigen Klägers aus § 48 Abs. 5 WEG analog.

Ebenfalls ohne Belang bleibt die genaue Herleitung der Prozessführungsbefugnis, wenn auf der Grundlage eines „Vergemeinschaftungsbeschlusses“ nach bisherigem Recht gegen eine eigenmächtig durchgeführte bauliche Maßnahme eines Einzelnen ohne Beschluss der Eigentümergemeinschaft vorgegangen wird. Denn dann ist die Eigentümergemeinschaft sowohl nach altem Recht auf der Grundlage des Vergemeinschaftungsbeschlusses und auch nach neuem Recht auf der Grundlage von § 9a Abs. 1 Satz 1 WEG jeweils prozessführungsbefugt (so zurecht: LG Berlin, Beschluss vom 11.2.2021 - 85 S 40/20), ZMR 2021, 411). Soweit zur Befugnis, begonnene Gerichtsverfahren mit dem im Einzelnen aufgeführten Klageinhalten weiterzuführen und zu Ende zu bringen.

Nun zur sachlichen Beurteilungsgrundlage, also zu der Frage, ob der Klageanspruch selbst nach altem oder nach neuem Recht zu bewerten ist. Dazu folgendes:

Leistungsklagen

Bei Leistungsklagen, zum Beispiel bei der Klage auf Beseitigung einer eigenmächtig vorgenommenen baulichen Veränderung, kommt es auf den Rechtszustand am Schluss der letzten mündlichen Verhandlung an. Maßgeblich ist also neues Recht, wenn das vorab begonnene Verfahren über den Stichtag der Novelle hinaus weitergeführt wird (LG Frankfurt/Main, Urteil vom 11.2.2021 - 2/13 S 46/20, NZM 2021, 239). Das gilt genauso bei Unterlassungsansprüchen einzelner Wohnungseigentümer wegen zweckbestimmungswidriger Nutzung; auch hier ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung entscheidend. Lag sie vor dem 1.12.2020, ist altes Recht einschlägig auch dann, wenn das Urteil erst nach dem Stichtag unter der zeitlichen Geltung neuem Rechts verkündet wurde (LG Karlsruhe, Urteil vom 30.12.2020 - 11 S 129/18, ZMR 2021, 344 zum Anspruch auf Unterlassung der Nutzung eines Kellers zu Wohnzwecken).

Schadensersatzansprüche

Bei Schadensersatzansprüchen soll es darauf ankommen, ob der zugrunde liegende Sachverhalt vor dem 1.12.2020 abgeschlossen wurde; falls ja, komme es auf die Beurteilung nach altem Recht an (LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 23.2.2021 - 2/13 S 12/20, IMR 2021, 249 = WuM 2021, 267). Der Entscheidung zugrunde lag ein Streit zwischen einem einzelnen Wohnungseigentümer und dem Verwalter. Der Verwalter hatte Handwerker beauftragt, die den Strom abstellten. Dadurch sei es im Aquarium des Eigentümers zu einem Fischsterben gekommen.

Der Verwalter haftet nach neuem Rechtszustand nur aus Verschulden deliktisch und wohl auch vertraglich. Obwohl der Verwaltervertrag mit der Gemeinschaft und nicht mit dem einzelnen Mitglied bestehe, sei er als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des einzelnen Mitgliedes einzustufen (h. M.: BGH, Urteil vom 19.7. 2019 – V ZR 75/18, NZM 2020, 60 Rn. 7 m. w. N.; Hügel/Elzer, Kommentar zum WEG, 3. Aufl. 2021, § 26 WEG Rn. 211). Folge ist dann ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch auch des einzelnen Gemeinschaftsmitglieds gegen den Verwalter. Allerdings ordnet das WEMoG dem Verwalter keine Amtspflichten gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer zu, sondern nur gegenüber der Gemeinschaft. Aber auch einzelne Eigentümer können aufgrund der Einordnung des Verwaltervertrags als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Wohnungseigentümer (so bereits: BGH, Urteil vom 8.2.2019 - V ZR 153/18, NJW 2019, 3446 Rn. 9) bei Pflichtverletzung des Verwalters Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend machen (arg. e. § 43 Abs. 2 Nr. 3 WEG; so auch: Deutscher Bundestag, Drucksache 19/22634, S. 47; zweifelnd noch Deutscher Bundestag, Drucksache 19/18791, S. 57 und aus diesem Zitat folgend anderer Ansicht und gegen die Annahme einer vertraglichen Haftung: Greiner, in: BeckOGK, Stand 1.12.2020, § 26 WEG Rn. 337; Skauradszun, in: Skauradszun/Elzer/Riecke/Hinz, Die WEG-Reform 2020, § 1 Rn. 42; offengelassen von Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 13, Rn. 90 ff).

Nach altem Recht bis zum 30.11.2020 konnte der Sondereigentümer den Handwerker unmittelbar auf Schadensersatz ebenfalls aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Anspruch nehmen (BGH, IMR 2018, 333), aber auch den Verwalter bei Verschulden. Für das Verschulden des Handwerkers aber hatte der Verwalter nach altem Recht gemäß § 278 BGB nicht einzustehen und ebenso nicht die Gemeinschaft (BGH, IMR 2018, 333). Schließlich ergibt sich mangels Verrichtungsgehilfeneigenschaft des Handwerkers auch keine Haftung des Verwalters aus § 831 BGB.